Wolfgang Sieber begrüsste im Namen von «Senioren für Senioren Sargans» die rund 130 anwesenden Vereinsmitglieder und Gäste. Einen besonders herzlichen Gruss und Willkomm richtet er an den von Radio und Fernsehen bestbekannten Kenner des Nahen und Mittleren Ostens Erich Gysling als Referent des Abends.
Erich Gysling referierte in Hochdeutscher Sprache um sich, wie er sagte, präziser und gut verständlich auszudrücken.
In seinem Referat ging er auf verschiedene Brennpunkte im Nahen und Mittleren Osten in Vergangenheit und Gegenwart ein. Er beleuchtete auch immer wieder die Rolle der Amerikaner in dieser Region. Wie sie sich engagierten, um ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen zu sichern. 1953 hatten sich die Amerikaner mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA und mit dem britischen Geheimdienst gewaltig in
Iran eingemischt, sodass sie den damaliger Premierminister Mohammed Mossadegh stürzten und in der Folge der Schah (Mohammed Reza Schah) seine Macht ausüben konnte bis in die 70er Jahre.
Wirklich stärker zu engagieren begannen sich die Vereinigten Staaten im Nahen Osten im Jahr 1971 mit dem damalige US-Präsident Nixen. Die USA wollten sich mit den Staaten rund um den Persischen Golf den Zugang zum Erdöl sichern. Dagegen garantierten die Amerikaner den Herrschern dieser Region, für sie da zu sein, damit sie nicht gestürzt werden könnten durch irgendwelche Revolutionen. Um der Präsenz im Nahen Osten zu verstärken, zogen die Amerikaner in dieser Region rund 40 militärische Stützpunkte auf.
Der Persische Golf ist natürlich nach wie vor wichtig für die weltweite Versorgung mit Erdöl und auch mit verflüssigtem Erdgas. Es sind ungefähr 25 – 30 % der weltweit verschifften Mengen an Erdöl und Erdgas die durch den Persischen Golf und durch die Strasse von Hormus durchgehen müssen.
Die Iraner drohen immer mal wieder diese Strasse von Hormus zu sperren, wenn die Israelis oder die Amerikaner oder andere Mächte sich erdreisten würden Iran anzugreifen. Durch die 40 km breite See- Enge gehen nur zwei Rinnen, welche die Schiffe benutzen können und die könnten die Iraner tatsächlich blockieren.
In der letzten Zeit, da hat sich das Interesse wieder einmal verschoben von der allgemeinen Besorgnis und Interessenlage über den Mittleren Osten hin zu Afghanistan. Die Amerikaner haben 1971 einen Vertrag geschlossen mit den Anrainer Statten um den Persischen Golf herum, und ihnen eine strategische Garantie gegeben. Aber für Afghanistan interessierten sich die Amerikaner nicht. Erst durch die Terroranschläge 9/11 im Jahre 2001 von Al-Kaida in New York und Washington rückte Afghanistan für die Amerikaner ins Rampenlicht. In der Folge hatte sich der damalige US-Präsident George W. Busch kurzfristig entschieden, Truppen nach Afghanistan hinein zu schicken, um die Rückzugsgebiete der Terror-Organisation Al-Kaida zu zerstören und mit dem Hauptziel Osama bin Laden gefangen zu nehmen.
Aus diesem Afghanistan zogen die Amerikaner erst gerade im August 2021 fluchtartig weg, was Erich Gysling eben als «Zeitenwende im Mittleren Osten» bezeichnete. Man erinnert sich noch, wie sich beim Abzug der Amerikaner viele Afghanen noch an die letzten Flugzeuge klammerten, welche Kabul verliessen.
Nun sind die Amerikaner in Afghanistan selber nicht mehr im Land, aber die vielen anderen Militär-Stützpunkte im Nahen Osten sind nach wie vor vorhanden. Würden die Amerikaner entdecken, dass sich unter dem Schutzschirm der Taliban erneut eine terroristische Organisation breit machen, dann wären sie blitzschnell wieder da und könnten ihr Thronen oder ihre Flugzeuge hinschicken und eingreifen.
Ganz zu Beginn haben sich die Frauen noch mutig vorgewagt und protestiert. Sie forderten ihre Rechte und die Möglichkeit auf Bildung. Sie protestierten auch dagegen, dass das Kabinett also die Regierung ohne Frauen gebildet würde.
Die Taliban verstehen die Forderungen der Frauen nicht. Sie sagen, die Frauen bekämen ihre Rechte nach dem islamischen Gesetz im Rahmen der eigenen Scharia. Man schätzt, dass den Taliban bei freien Wahlen vermutlich etwa 1/3 der Menschen ihre Stimmen geben würden.
Gemäss Erich Gysling gehen wir Menschen aus dem Westen immer davon aus, dass unsere Wertvorstellung das höchste aller Gefühle sei und sich alle Menschen weltweit eine Art von parlamentarischer Demokratie wünschten, so wie wir sie haben. Aber das stimme nicht. Aufgrund seiner langjährigen journalistischen Erfahrungen wollen die Menschen ganz sicher vor allem die Beachtung der Menschenrechte, der individuellen Rechte und dass es keine Willkür Herrschaft gibt. In dieser Region sehe man Demokratie eher als Zügellosigkeit.
Zurzeit sieht es in Afghanistan so aus, als würde sich das Taliban Regime das jetzt an der Macht ist, nicht unterscheiden von dem Regime vor 2001, und da wurden die Frauen gewaltig unterdrückt.
Demnach dürften die Frauen und Mädchen weiterhin die Hauptleidtragenden sein.
In den vergangenen 20 Jahren hätten der Westen und die Amerikaner gewaltig viel Geld in dieses Afghanistan gesteckt und sehr viel Anstrengungen gemacht, auch in Bezug auf Bildung und besonders auch in die Ausbildung der Frauen. Aber die Statistik besage, dass nur ungefähr knapp 30 % der Frauen des Lesens und Schreibens einigermassen mächtig seien, bei den Männern sollen es gute 50 % sein. Das ist ja nicht wahnsinnig viel nach 20 Jahren. Auch die Armut konnte nicht besiegt werden. Zwischen 50 bis 70 % der Menschen sind nahe an der Grenze zum Hungern und sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die 20 Jahre Intervention, Krieg und Aufbauarbeit hat Amerika allein 2 Billionen Dollars (also 2’000 Milliarden US-$) gekostet.
Der Krieg hatte auch unendliche Opfer gefordert. Vor allem der Drohnenkrieg hätte Kollateralschäden gigantischen Ausmasses verursacht. Es sei anzunehmen, dass bei diesen Einsätzen zehntausende von Menschen umgekommen seien. Gemäss NZZ hätte dieser Krieg insgesamt um die 240’000 Menschenleben gekostet. Dann gebe es einen UNO-Bericht, der komme auf bedeutend höhere Opferzahlen. Man wisse eigentlich nur, dass etwa 4’000 Amerikaner als Soldaten umgekommen seien und einige 100 Mitglieder der europäischen Nato-Truppen.
Nun ist es etwas mehr zwei Monate her seit die Taliban an der Macht sind und wir hören in den Medien schon fast nichts mehr. Es sind schon wieder andere Themen in der Region in den Vordergrund gerückt. Für die Amerikaner sei wichtig, dass sich unter dem Schutzschirm dieser Taliban nicht noch einmal eine Terrorgruppe wie Al-Kaida oder etwas ähnliches bilden könnte.
Erschreckend hohe Militärausgaben
Die Amerikaner hatten Verträge gemacht mit den verschiedensten Mächten in der Region des Mittlerer Ostens und sie rüsten die verschiedenen Armeen aus. Ein gewichtiger Faktor für die US-Amerikanische Rüstungsindustrie.
Das geografisch grosse Saudi-Arabien mit rund 30 Millionen Einwohnern (davon seien rd. 24 Mio. Saudis und rd. 6 Mio. seien Gastarbeiter) hätten ein Militärbudget von um die 70 Milliarden Dollar pro Jahr.
Die Vereinten Arabischen Emirate, nach Fläche rd. 1 ½ x so gross wie die Schweiz, hätten ein militärisches Budget von etwas mehr als 20 Milliarden Dollar. Bevölkerung 9 Millionen, wovon nur rd. 1,6 Mio. Emirater seinen, die anderen wären Gastarbeiter.
Der Iran sei im Mittelfeld mit einem bescheideneren Militärbudget von 24 Milliarden Dollar.
Es wurde erwähnt, dass der «Krieg und der Aufbau» von Afghanistan Amerika in den letzten 20 Jahren 2,2 Billionen Dollar gekostet habe. Die Schätzungen gingen davon aus, dass davon etwa 1 Billion Dollar in die amerikanische Rüstungsindustrie geflossen sein könnten.
Es fällt auf wie gewaltig in dieser Region aufgerüstet worden ist und wie sehr dies anderseits der Interessenslage der amerikanischen Rüstungsindustrie entspricht.
Dann kam Erich Gysling auf Saudi-Arabien zu sprechen. Mit diesem Land wollen die die Vereinigten Staaten gerade im Bereich des Rüstungssektors noch enger zusammenarbeiten. So seien im Jahre 2017 zwischen den USA und Saudi-Arabien einen Rüstungsdeal über 350 Milliarden $ auf 5 Jahre abgeschlossen worden.
Saudi-Arabien möchte weg kommen von der Abhängigkeit von Erdöl und sich zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickeln.
Die Iraner, die grossen Gegner der Saudis, die seien in einer ganz anderen Situation, deren Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas sei nur 25 %, denn ihre Wirtschaft sei bedeutend diversifizierter. Die Saudis fürchten offenbar, dass sie selber durch den Iran überflügelt werden könnten. Denn wenn die Iraner befreit würden von den Sanktionen und voll, ohne Restriktionen auf den Erdöl- und Erdgasmarkt kämen, dann könnten diese in entscheidender Art und Weise Preis und Fördermengen bestimmen.
Auch zu Irak machte Erich Gysling einen Blick in die jüngste Vergangenheit. Die Amerikaner haben bekanntlich im Jahre 2003 den Krieg gegen Irak lanciert. Der damalige US-Präsident George W. Bush und sein Aussenminister Colin Powell gaben damals vor, die Iraker hätten Giftgas und würden dieses gegen Amerika einsetzen und könnten damit die ganze Zivilisation auslöschen. In der Folge zogen die Amerikaner und die Briten und noch eine Anzahl von Alliierten in den Krieg gegen Irak. Dieser Krieg kostete die Amerikaner ungefähr 3 Billionen $ (also 3’000 Milliarden $). Irak sei zwar reich an Oel und Rohstoffen, könne aber bis heute nicht viel damit anfangen. Und die von den Amerikanern nach dem Krieg aufgebaute Irakische Armee sei bisher nicht imstande auch nur ein minimales Mass von Sicherheit für die Menschen im eigenen Land zu garantieren.
Auch die letzten Ereignisse in Israel, Palästina und Syrien wurden von Erich Gysling angesprochen. Insgesamt stellte er fest, dass die Spannungen im Nahen und Mittleren Osten weiterhin anhalten werden.
Nach Beantwortung der noch offenen Fragen aus dem Publikum wurde der sehr kompetente und äußerst interessante Vortrag von Erich Gysling mit großem Applaus verdankt. Es war ihm wirklich sehr gut gelungen die anwesenden Seniorinnen und Senioren und die weiteren Gäste über die verschiedenen Brennpunkte im Nahen und Mittleren Osten in Vergangenheit und Gegenwart umfassend zu informieren.
Nach Vortrag und Diskussion waren die Teilnehmer noch zu einem vom Verein „Senioren für Senioren“ offerierten Apero eingeladen. Beim gemütlichen Zusammensein bot sich noch Gelegenheit sich über das Gehörte auszutauschen.